Destinationsmanagement in Zeiten der Krise
Destination
Destinationsmanagement in Zeiten der Krise
Covid-19 Destination
Lena Helleisz, MA
Beraterin
Stuttgart, Deutschland
lena.helleisz@kohl-partner.eu+49 7171 94 770 11Zum AutorAm 20. April diskutierten wir im ersten Kohl > Partner PraxisTalk gemeinsam mit der imakomm Akademie sowie Vertreter:innen aus Tourismus und City-Management über die Zukunft unserer Innenstädte und Möglichkeiten, diese auch mit Hilfe des Tourismus zu stärken.
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Das aktuelle Bild unserer Innenstädte ist vor allem eines – leer. Mit Blick auf die langsam in Fahrt kommende Impfkampagne sowie die Möglichkeiten, die Schnelltests bieten, besteht jedoch die Hoffnung, dass sich das bald ändern wird und wir alle im Sommer wieder lebendige Innenstädte genießen können. In unserem ersten Kohl > Partner PraxisTalk wurden Ideen aus dem vergangenen Jahr vorgestellt, wie Leistungsträger in den Städten kurzfristig durch Citymanagement und Tourismusorganisationen unterstützt werden konnte sowie die Learnings aus diesen Aktionen. Außerdem stellte die imakomm Akademie Strategien für die langfristige Stärkung und den Wandel der Innenstädte vor.
Als Einstieg vermittelte Alexander Seiz von Kohl > Partner Stuttgart einen Überblick über die aktuelle Situation des Städtetourismus, der überdurchschnittlich hart von den Einschränkungen der Corona-Pandemie getroffen wurde. Einerseits durch den starken Rückgang des internationalen Tourismus und den Geschäftsreisetourismus, andererseits auch durch den Wegfall klassischer Aktivitäten bei einem Städtetrip wie der Besuch von Kultureinrichtungen oder Veranstaltungen. Doch der Blick in die Zukunft bietet Hoffnung: Erste Umfragen zur Reiseabsicht zeigen, dass die Reiselust ungebrochen ist und auch Städte als Reiseziel weiterhin attraktiv sind. Strategisch sieht Seiz für dieses Jahr jedoch eine etwas andere Orientierung für Erfolg im Städtetourismus: Individuelle „Micro-Adventures“, der Fokus auf Umland und Outdoor-Angebote innerhalb der Stadt sowie die aktive Bewerbung von Tagestouristen aus dem Nahbereich kann dazu beitragen, den Tourismus und damit die Betriebe in den Städten wiederzubeleben und auch wirtschaftlich zu stärken. Dennoch betont er, dass die langfristigen Strategien und Trends dabei nicht aus den Augen verloren werden sollten – dazu gehören der Ausbau qualitativer Angebote, eine nachhaltige und resiliente Ausrichtung des Tourismus sowie das oft brennende Thema der Besucherlenkung.
Peter Markert, Geschäftsführer der imakomm Akademie, gibt im Anschluss dazu einen Impuls zur Veränderung der Innenstädte. Seine Botschaft: „Innenstädte können Krise“, denn Corona ist nicht die erste, mit der sie in den vergangenen Jahrzehnten konfrontiert wurden. Um diese Krise zu bewältigen, braucht es kurzfristige Notfallprogramme seitens Stadt und Betrieben. Dazu gehören Erleichterungen für die Außengastronomie, hybride und flexible Konzepte für den Handel sowie der Fokus auf den Nahbereich und die Kommunikation von Sicherheit und Nähe.
Langfristig werden aber vor allem neue Modelle und Nutzungen für die Innenstädte benötigt. Dabei gibt es vier Stoßrichtungen – zusammengefasst im ABBA-Prinzip:
Christian Eckert, ebenfalls von der imakomm Akademie, macht darauf aufmerksam, dass sich auch das Einkaufsverhalten verändern wird, denn je länger die aktuellen Einschränkungen dauern, desto mehr verfestigen sich die Gewohnheiten wie Online-Shopping. Entsprechend sind auch zukünftig neue Einzelhandelskonzepte auch für den stationären Einzelhandel notwendig. Ein wichtiger Baustein ist dabei vor allem die Digitalisierung und die Implementierung digitaler Konzepte, wie regionale Online-Marktplätze oder eigene Online-Shops. Diese dienen als weiterer Vertriebsweg, tragen aber maßgeblich auch zur digitalen Sichtbarkeit der Betriebe bei, wodurch die Händler:innen unterstützt werden können. Denn der stabile Einzelhandel leistet einen wichtigen Beitrag zu einer lebendigen Innenstadt, die für Einheimische und Gäste gleichermaßen attraktiv ist.
Neben diesen allgemeinen Strategien und Möglichkeiten sollte der PraxisTalk vor allem dazu genutzt werden, sich über Best-Practice-Beispiele auszutauschen. Dafür wurden drei weitere Referenten eingeladen, die über ihre Initiativen und Erfahrungen des letzten Jahres berichteten.
Die Karlsruher „smart@home“-Kampagne erlangte vergangenes Jahr bereits einiges an Bekanntheit – nicht zuletzt durch das humorvolle Video. Karén Weber, Marketingleitung der Karlsruhe Tourismus GmbH, erzählt, dass die ursprüngliche Idee war, die digitalen Kulturangebote der Stadt zu sammeln. Innerhalb weniger Tage entwickelte sich daraus die Kampagne, die Angebote aus den Bereichen Shopping, Food, Abenteuer und Hotels eine Plattform bietet. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich daraus eine nie dagewesene Dynamik: Ergänzungen folgten durch weitere Ideen wie Ausmalheften, über das besagte Video bis hin zu Fahrradkurieren der Wirtschaftsförderung und der Erstellung der Seite „Karlsruhe hilft“ auf Initiative des Oberbürgermeisters. Der Tourismus übernahm somit plötzlich eine leitende Funktion und stand, nicht nur nach außen, sondern vor allem auch innerhalb der Stadt, im Fokus. Auch der Digitale Roundtable für Leistungsträger:innen wurde sehr gut angenommen und gipfelte im 1. Digitalen Karlsruher Tourismus Barcamp, aus dem weitere kreative Ideen und Strategien für die Zukunft entstanden sind. Zusammenfassend bezeichnet Weber das Jahr für das Team als „das beste Jahr, das wir je hatten“, da sich jeder kreativ mit vollem Einsatz eingebracht hat und auch innerhalb der Stadt eine nie dagewesene Zusammenarbeit stattgefunden hat, wobei alle an einem Strang gezogen haben – etwas, das ihnen hoffentlich noch lange erhalten bleibt!
Auch Deniz Özkul, Geschäftsführerin des FreudenStadtMarketing e.V., berichtet trotz aller Schwierigkeiten von mehr Zeit, sich kreativ auszutoben und Dinge umsetzen zu können, für die bisher die Zeit fehlte. Dabei entstand eine Vielzahl an realisierten Projekten: Unter anderem konnten bis Januar sieben Pop-Up-Stores in der Innenstadt realisiert werden, es wurde eine App implementiert, in welcher Akteure ihre Angebote veröffentlichen können, der Online-Adventskalender mit Tagesgewinnen aus der Region konnte über 10.000 Teilnehmer erreichen. Im zweiten Lockdown wurde dann eine Übersicht über alle aktuellen Services der Händler:innen und Gastronom:innen geschaffen – mit Informationen zu Lieferung und Abholung, Schaufenster-Shopping und weiteren Möglichkeiten, was in Freudenstadt vor allem über Weihnachten sehr gut angenommen wurde. Auch hier war das Jahr geprägt durch eine gute und intensive Zusammenarbeit von Stadtmarketing, Wirtschaftsförderung und Tourismus. Für dieses Jahr soll der Fokus vor allem auf dem Ausbau der digitalen Angebote liegen, welche die stationären Betriebe stärken können. Dazu gehören digitale Gutscheinsysteme, Speisekarten und Schaufenstershopping per QR-Code.
Auch in Waiblingen wurde die Zeit im vergangenen Jahr für die Digitalisierung für den Tourismus genutzt, wobei das Thema Open Data im Fokus stand. Sabine Nestler, Leiterin der Wirtschaft, Tourismus, Marketing GmbH Waiblingen, plädiert dafür, die aktuelle Zwangspause für strukturelle Vorbereitungen vorhandener touristischer Daten zu nutzen. Sie verweist auf das veränderte Verhalten und die Gewöhnung der Gäste an Apps und die Erwartung, jederzeit aktuelle und verlässliche Daten zu Öffnungszeiten, Angeboten etc. zu erhalten. Um hier sichtbar zu sein, bilden gut gepflegte, strukturierte und Open-Data-konforme Daten die Basis, denn diese können von Suchmaschinen verstanden und ausgespielt werden und erfüllen die Ansprüche der Gäste. Außerdem erhöhen diese Daten die Sichtbarkeit der Destination im Netz, da diese auf verschiedensten Kanälen auf regionaler, aber auch nationaler Ebene sowie auf verschiedenen Plattformen wie Tourenplaner:innen, Verkehrsanbieter:innen, etc. ausgespielt werden können. Auch für das Stadtmarketing ist das Thema relevant, da diese Daten nicht nur klassische touristische Bereiche betreffen, sondern auch Daten zu Events oder Shopping relevant sind und einen Mehrwert bieten können. Ein weiterer Schritt ist es dann, den Gast nicht nur zu informieren, sondern ihm direkt Buchungsmöglichkeiten anzubieten, um auf diesem Weg auch Umsatz für die Destination zu generieren. Wichtig ist, so Nestler, den potenziellen Kund:innen am richtigen Punkt abholen und die richtigen Informationen zur richtigen Zeit liefern.
Insgesamt war dieser PraxisTalk vor allem von dem Gefühl geprägt, dass sich im vergangenen Jahr trotz Krise auch sehr viel Positives entwickeln konnte und eine unglaublich kreative Zusammenarbeit innerhalb der Stadt entstanden ist. Dabei waren auch Kampagnen erfolgreich, die durch die Inspiration aus den eigenen Reihen gespeist und ohne große Vorlaufzeiten entwickelt wurden. Für den Tourismus gab es hierbei häufig neue Rollen und Aufgaben: Oft war die Tourismusorganisation die treibende Kraft und konnte durch seine bestehenden Kanäle und Strukturen nicht nur Gästen, sondern vor allem auch der lokalen Bevölkerung und der gesamten Stadt einen Mehrwert bieten. Die Zusammenarbeit mit Stadtmarketing und Citymanagement sowie der Zusammenhalt innerhalb der gesamten Stadt wurde dabei deutlich intensiviert. Trotzdem muss bei dem Blick in die Zukunft berücksichtigt werden, dass Städten große Herausforderungen und Strukturveränderungen bevorstehen. So werden Themen wie Regionalität und Authentizität auch im Städtetourismus wichtiger und die Angebote müssen auf die neuen Anforderungen der Gäste angepasst werden. Vor allem die Digitalisierung wird in der Belebung und Sicherung der Innenstädte eine bedeutende Rolle spielen. Es wurde deutlich, welche großen Entwicklungen hier im vergangenen Jahr angestoßen wurden. Hier gilt es nun, diesen Schwung zu nutzen und darauf achtzugeben, den Anschluss nicht zu verlieren.
Insgesamt konnte aus diesem PraxisTalk jedoch eine überwiegend optimistische Stimmung mitgenommen werden und die Überzeugung, dass auch diese Krise von den Städten und dem Tourismus gemeinsam gemeistert werden kann.