Lösungsansätze zur Besucherlenkung.
Destination
Lösungsansätze zur Besucherlenkung.
Lebensqualität Destination
Dipl.-BW (FH) Alexander Seiz
Geschäftsführer
Stuttgart, Deutschland
alexander.seiz@kohl-partner.eu+49 7171 94 770 11+49 173 32 69 714Zum AutorWie ein roter Faden zog sich das Thema Destination der Zukunft durch das DestinationCamp 2019 in Hamburg. Ging es im vergangenen Jahr vor allem um die Tourist-Information 2030, stand dieses Jahr die Diskussion um die Rolle der DMO (Destination Management Organisation) im Lebensraum im Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund von Themen wie Overgrowding, Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit und Tourismusbewusstsein gab es dazu von den Teilnehmer:innen ein klares Statement: Die DMO kann zukünftig das pulsierende Herz im Lebensraum sein.
In den großen Städten werden sich die Tourismusorganisationen weiterhin auf den Tourismus konzentrieren können. Stadtentwicklung, Mobilität, Bürgerengagement, Kulturmanagement werden in eigenen städtischen Verwaltungseinheiten organisiert. Der Tourismus kümmert sich vor allem um die Gäste, mal mehr um die Tagesreisenden, mal mehr um Übernachtungsgäste. Auch in den Städten wird das Zusammenspiel von Bürgern und Gästen in Zeiten von Overgrowding stärker diskutiert; aber oftmals in enger Abstimmung mit den entsprechenden Fachabteilungen der Stadtverwaltung.
In den ländlichen und touristischen Regionen sieht es jedoch anders aus. Immer mehr lässt sich feststellen, dass der Tourismus in touristisch entwickelten Gebieten zum zentralen Knotenpunkt verschiedenster Ansprüche wird. Die Landwirtschaft will ihre Produkte an Gäste und die Gastronomie verkaufen, die Mobilität ist nicht nur ein Thema für Bürger:innen, sondern für Gäste und Bürger:innen. Einheimische fordern auch mal ihre Ruhe vor weiteren Touristenströmen vor dem eigenen Garten oder möchte nicht im Urlaubsstau stehen oder beim Bäcker in der Gästeschlange warten. Auf der anderen Seite gibt es touristische Regionen, die sich vom Tourismus vielleicht den wirtschaftlichen Aufschwung erwarten, auf jeden Fall aber eine Sicherung von Arbeitsplätzen und Infrastrukturen auf dem Land erhoffen.
Zumindest ist klar, dass alle diese Fragen mit der Tourismusentwicklung in Verbindung stehen. So wundert es nicht, dass vermehrt der Tourismus in die Rolle gedrängt wird, sich um diese Punkte zu kümmern. Oder sich selbst in der Rolle sieht, diese Fragen im Sinne eines qualitativen und nachhaltigen Tourismus zu bearbeiten und zu klären.
In unserer Broschüre "Destination 2030 - Die Zukunft der touristischen Organisationen“ haben wir schon vor einigen Jahren den Blick aufgemacht, dass es für die DMO der Zukunft weg geht vom klassischen Marketing mehr zum Management der Region. Das wurde nun auch bei der intensiven Diskussion auf beim DestinationCamp in mehreren Sessions bestätigt. Als Querschnittsbranche tangiert der Tourismus fast alle Lebens- und Arbeitsbereiche in einer Region. Südtirol hat es schon als Vorreiter aufgezeigt: Tourismus heißt auch sich über das Thema Lebensraum und Lebensqualität Gedanken zu machen. Daher werden von unserem Südtiroler Büro bereits Tourismusentwicklungskonzepte erstellt, bei der es um viele Fragen rund um den Tourismus von Kultur bis Verkehr geht und die auch konsequent touristische Bettenobergrenzen fixieren.
2009 haben wir für die Insel Juist ein Tourismusleitbild erstellt, mit der Kernpositionierung „Freundschaft für´s Leben“ für die besondere Betonung der hohen Stammgasttreue. Ein Element der Umsetzung ist das ständige Gästeparlament, welches die touristische Entwicklung auf der Insel in regelmäßigen Abständen begleitet. Doch die Stimmen von Anbieter:innen und Bürger:innen, die Belange der Insulaner mehr zu berücksichtigen und ebenfalls in eine zukunftsweisende Planung einzubringen, wurden im Laufe der Jahre lauter.
So folgte 2017 das von Kohl > Partner moderierte und formulierte „Lebensraumkonzept Juist“. Es enthält gemeinsame Formulierungen wie es zukünftig gelingt, Juister zu sein und zu bleiben und was überhaupt das Juister Lebensgefühl ausmacht. Daraus leiten sich dann Handlungsempfehlungen von Wohnraum, Jugend, Senioren, Inselgemeinschaft, Ökologie, Wirtschaft bis Infrastruktur ab.
Zukünftig gilt es daher in der Region zuerst einmal strategisch zu klären, welche Rolle die DMO für den Lebensraum einnehmen soll. Dabei ist es nicht zwingend, dass die DMO als zentraler Entwickler oder Koordinator in der Region auftritt. Viele Regionen, vor allem in Österreich, haben sich per Regionalentwicklung und mit Unterstützung von LEADER (EU-Förderprogramm) bereits auf den Weg zur gemeinsamen Entwicklung des Lebensraums gemacht. Dort gibt es oftmals bereits eine Regionalentwicklungsorganisation, die sich um die Belange von Wirtschaft, Bürger:innen und Ökologie kümmert. Sie koordiniert die übergreifenden Aktivitäten und Tourismus kann als ein Teil des regionalen Gefüges betrachtet werden.
In Deutschland gibt es selten solche organisatorischen Gebilde und LEADER übernimmt oft nur die Koordination von Förderungen und Fördermitteln. Es fehlt also teilweise an der zentralen Entwickler:in, Impulsgeber:in und Koordinator:in im Lebensraum. In diesen Fällen wird es wohl immer mehr notwendig sein, dass der Tourismus aus seiner Querschnittsfunktion heraus diese Rolle übernimmt und zum pulsierenden Herz der Region wird. Dabei ist es unseres Erachtens sehr wichtig zu trennen zwischen Koordination, Netzwerken und der Impulssetzung für übergreifende Projekte zwischen den einzelnen Sparten und der eigenen Organisation und Abwicklung dieser. Nimmt sich der Tourismus aller übergreifenden Projekte an, so wird er sich selbst überfordern. Unsere Idee ist dabei, für wichtige regionale Projekte Fachverantwortliche zu finden und zu definieren oder noch besser - interdisziplinäre Teams im Sinne einer agilen Organisation aufzubauen.
Herzlichen Dank an die Macher und die Teilnehmer:innen des DestinationCamps für die wundervolle Organisation und den hochaktuellen fachlichen Austausch.
Spontane Skizze „Tourismus – das pulsierende Herz der Region“ der Moderatoren Dirk Schmücker & Eric Horster