Brauchen wir wirklich eine PR-Agentur?
Marketing
Brauchen wir wirklich eine PR-Agentur?
Marketing Destination Strategie
Jana Große Hokamp, MA
Beraterin
Stuttgart, Deutschland
jana.grossehokamp@kohl-partner.eu+49 7171 9477011Zum AutorKann ein Chatbot wie ChatGPT die Tourismusberatung und Unternehmen wie Kohl > Partner in Zukunft ersetzen? Die derzeitige Begeisterung für künstliche Intelligenz (KI) wirft diese Frage auf. Allen voran ChatGPT. Dabei handelt es sich um ein künstliches Intelligenz-Sprachmodell, das vom US-amerikanischen Unternehmen OpenAI entwickelter wurde. Es basiert auf einer Deep-Learning-Technologie und der Verwendung eines künstlichen, neuronalen Netzwerkes, mit dem es ständig dazulernt.
Da sind auch wir neugierig geworden und haben ChatGPT mit einer typischen Aufgabe aus der Tourismusberatung betraut: einer Zielgruppenanalyse. Die Aufgabe war es, eine touristische Zielgruppenanalyse für Baiersbronn durchzuführen und uns die drei Top-Zielgruppen zu nennen, die für Baiersbronn auch in Zukunft wichtig sind.
Das Ergebnis, dass ChatGPT uns geliefert hat, wirkt auf den ersten Blick vielversprechend:
„Aufgrund der Attraktivität von Baiersbronn für verschiedene Zielgruppen ist es schwer, nur drei Hauptzielgruppen zu empfehlen. Dennoch werde ich meine Empfehlung basierend auf den Trends im aktuellen Tourismusmarkt und der Stärke von Baiersbronn im Vergleich zu anderen Reisezielen formulieren.
Natürlich können auch andere Zielgruppen für Baiersbronn von Bedeutung sein. Es hängt von der touristischen Infrastruktur, den touristischen Angeboten und den Investitionen in die touristische Entwicklung ab, welche Zielgruppen letztendlich die größten Potenziale bieten.“
Natur- & Wandergäste, Nachhaltigkeitsbewusste sowie Kulinarik-Gäste sind durchaus starke Zielgruppen für Baiersbronn. Da ChatGPT hier bei der Beantwortung direkt auf aktuellen touristischen und gesellschaftlichen Trends aufbaut kann man sich auch gut vorstellen, dass diese auch in Zukunft relevant sein werden. Also Aufgabe gelöst und Thema abgeschlossen?
Nicht ganz.
ChatGPT ist großartig darin, bestehende Erkenntnisse und Schriften zu durchforsten und basierend darauf eine Antwort auf eine bestimmte Frage zu geben. Somit hat ChatGPT unsere Aufgabe zwar erst einmal gelöst, jedoch kann es nicht die Menschen vor Ort tatsächlich miteinzubeziehen. Stimmen die Leistungsträger vor Ort dem zu? Wofür stehen die Leistungsträger in Baiersbronn? Mit welchen Sorgen und Herausforderungen sind sie konfrontiert? Wofür brennen sie? Wo gibt es Konflikte? Und wo starke Allianzen, auf denen man in Zukunft gut aufbauen kann?
Und noch etwas:
ChatGPT konzentriert sich darauf, die Ergebnisse zu erzielen, die wir mit unserer Frage vorgegeben haben. Stellen wir die Frage etwas anders kann es sein, dass wir eine andere Antwort bekommen. In die Zukunft gedacht, braucht es immer wieder kreative Ideen. Wirklich kreative Lösungen, die dann entstehen, wenn Menschen mit den unterschiedlichsten Blickwinkeln zusammenkommen, diskutieren, sich gegenseitig inspirieren und ein einzigartiges Gespür für die Region mitbringen – all das können wir von ChatGPT nicht erwarten.
Wir können also festhalten: Gerade im Tourismus sind die Beziehungen innerhalb und zwischen Destinationen sowie der Austausch mit den Reisenden ist ein sehr komplexes und hochemotionales Thema. Tourismusentwicklung hängt also weit über Trends und bekannte Strategien von vielen verschiedenen Faktoren ab, wie politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten. All das kann ChatGPT nicht ohne Weiteres berücksichtigen.
Außerdem ist ChatGPT nicht in der Lage, menschliche Emotionen vollständig zu erfassen und zu interpretieren. Damit kann es auch keine Emotionen berücksichtigen oder verstehen, wie es gelingt den Bedürfnissen der unterschiedlichen Stakeholder gerecht zu werden. Und wie wir aus eigener Erfahrung wissen, geht es bei Veränderungen oft primär um zwischenmenschliche Themen. Auch wenn man rational weiß, welchen Weg man einschlagen sollte, gelingt dies in der Praxis erst, wenn auch wirklich alle bereit sind, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen.
Für die Analyse und Aufbereitung von Informationen und Daten sind ChatGPT und vergleichbare KI-Anwendungen definitiv ein enorm starkes Werkzeug, das in Zukunft unsere Arbeit wie auch die von anderen Branchen bereichern und erleichtern wird. Gleichzeitig wird mehr Raum frei, um Entwicklungen auf zwischenmenschlicher Ebene voranzutreiben und individuell maßgeschneiderte Lösungsansätze und Zukunftskonzepte zu entwickeln.
Unser Fazit? Es geht nicht um Schwarz oder Weiß, ChatGPT oder Tourismusberatung. Vielmehr dürfen wir lernen, die Stärken unterschiedlicher Zugänge und Instrumente bestmöglich auszunützen. Und: Es ist und bleibt spannend im Tourismus. Wir freuen uns darauf!