Wie holt man bei einem Konflikt die „Kuh vom Eis“?
Destination
Wie holt man bei einem Konflikt die „Kuh vom Eis“?
Destination Kooperation
Dipl.-BW (FH) Alexander Seiz
Geschäftsführer
Stuttgart, Deutschland
alexander.seiz@kohl-partner.eu+49 7171 94 770 11+49 173 32 69 714Zum AutorWelche Möglichkeiten gibt es für Kooperationen zwischen Wirtschaft und Tourismus? Welche Vorteile können beide Seiten hieraus ziehen? Ergebnisse hierzu wurden am 18.09.2019 im Rahmen der Kooperationsbörse der TMBW gemeinsam mit Studenten vorgestellt.
Mit was verbinden Sie Stuttgart? Oder Bitburg? Oder dem Ruhrgebiet? Wenn Ihnen jetzt Autos, Bier und Bergbau einfallen, sind Sie sicherlich nicht allein. Diese simplen Beispiele veranschaulichen, wie sehr Regionen von einzelnen Marken oder sogar ganzen Industriezweigen geprägt sein können. Zieht man Stuttgart als Beispiel heran, so ist die Stadt weltweit als Hauptstadt des Automobils bekannt. Doch wie kann eine solche Reichweite auch für den Tourismus genutzt und diese bekannten Marken und Branchen touristisch erlebbar gemacht werden? Und wie können entsprechende Produkte und Marken zur touristischen Performance einer Stadt oder Region beitragen?
Diesen Fragen ist Kohl > Partner Stuttgart gemeinsam mit Studierenden der HfWU Nürtingen-Geislingen nachgegangen. Die Ergebnisse wurden gemeinsam am 18. September im Rahmen der Kooperationsbörse der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg präsentiert.
Die Antworten, die hierbei gefunden wurden, scheinen auf den ersten Blick recht einfach: Durch Kooperationen zwischen lokalen Wirtschaftsunternehmen und DMOs können vielfältige Potenziale ausgeschöpft und innovative Erlebnis- und Vermarktungskonzepte geschaffen werden. Ein Blick in die Realität zeigt jedoch schnell, wie wenig diese Möglichkeiten bisher genutzt werden.
Während Kooperationen z.B. mit regionalen Erzeuger:innen oder Gastronom:innen bereits gang und gäbe sind, zeigt sich bei lateralen Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen jedoch ein eher zurückhaltendes Bild. Auch im Bereich der Tourismusforschung werden diese Möglichkeiten bisher nur marginal beleuchtet – obwohl sich unter bereits umgesetzten Projekten viele Erfolgsgeschichten finden lassen.
Kooperationsmöglichkeiten sind in verschiedenen Bereichen der DMO-Arbeit denkbar. Betrachtet man die Angebotsseite, so bieten Markenerlebniswelten, Outlet-Cities oder Museen zu Marken oder Produkten diverse Möglichkeiten, die Angebotspalette zu erweitern. Auch die Wirtschaftsbetriebe können neben gesteigertem Absatz durch die Möglichkeit der Datenerhebung von diesen Kooperationen profitieren. Ein Beispiel für diesen symbiotischen Nutzen ist der thyssenkrupp Testturm in Rottweil: Einerseits wurde dieser Turm für Praxistests von Aufzuginnovationen gebaut. Andererseits wurde durch die Integration der deutschlandweit höchsten öffentlichen Besucherplattform ein touristisches Highlight für die Region geschaffen, wodurch die Aufzugtechnologien unter realen Bedingungen getestet werden können.
Doch auch im Bereich Marketing bieten Kooperationen Möglichkeiten, die weit über das klassische Sponsoring hinausgehen. Eine Region oder Stadt kann sich über eine starke Marke aus der Region positionieren. Aber auch gegenseitiges Branding, die Einbindung in Werbeaktionen oder die Bildung einer gemeinsamen Regionalmarke sind Möglichkeiten um Synergien zu nutzen.
Aber nicht nur in der Kommunikation nach außen können Kooperationen zwischen Tourismus und Wirtschaftsunternehmen sinnvoll sein. Intern gibt es einerseits viele Möglichkeiten, in unterschiedlichen Themenbereichen voneinander zu lernen. So zum Beispiel sind Touristiker:innen häufig im Service-Verständnis deutlich fitter als mancher Industriekonzern, während es bei Themen wie Digitalisierung oft Aufholbedarf gibt, welcher durch gegenseitigen Austausch verbessert werden kann. Zusätzlich besteht innerhalb der Region ein breites Spektrum an gemeinsamen Interessen, gerade in Hinblick auf Fachkräftemangel, wodurch weiche Standortfaktoren immer bedeutender werden. Diese Faktoren werden unter anderem auch durch eine gut ausgebaute Freizeitinfrastruktur geprägt, zu welcher der Tourismus maßgeblich beitragen kann. Entsprechend können auch hier Möglichkeiten zum gemeinsamen Ausbau und Erhalt der Lebensqualität und einem erfolgreichen Standortmarketing ausgemacht werden, wovon beide Seiten profitieren.
Hinsichtlich der möglichen Themen für eine Kooperation und dem gegenseitigen Nutzen scheint es entsprechend eine Vielzahl an Möglichkeiten zu geben, ebenso bei der Ausgestaltung. Bei näherer Betrachtung einiger Praxisbeispiele sowie in der lebhaften Diskussion auf der Kooperationsbörse konnten folgende Erfahrungen ausgemacht werden: Die Basis einer erfolgreichen Zusammenarbeit bildet der Wille, gemeinsam etwas Neues zu erreichen und sich möglicherweise auf bisher unbekanntes Terrain zu begeben. Hierzu muss eine Offenheit für neue und innovative Ideen bestehen, die vielleicht auch klein anfangen, aus denen aber große und erfolgreiche Projekte entwachsen können. Auch in Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung und politische Legitimation muss der Tourismus jedoch auch sein Bild insofern verändern, als dass klar wird, dass auch Bürger von Entwicklungen in diesem Bereich profitieren und dass an einigen Standorten gewisse Leistungen wie ÖPNV auch oder vor allem durch die Frequentierung von Touristen weiterhin aufrechterhalten werden können. Um es mit den Worten von Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg zu sagen: „Man muss die Mauer zwischen Gast und Einheimischen im Bewusstsein niederreisen“.